Christopher: Rede zum 60. Geburtstag

Guten Abend
Ich begrüße euch im Namen der Familie Burger ganz herzlich.
Schön, dass ihr heute Abend alle gekommen seid, um den Geburtstag meiner Mutter Annemarie - eurer Freundin, guten Bekannten, Arbeitskollegin, eurer Schwester oder Schwägerin, Tante und natarlich auch Ehefrau - zu feiern.

Ein richtiges Fest soll es heute Abend werden. Wenn es nach meiner Mutter gegangen wäre säßen wir alle an einem Tisch in ihrem Haus in Müngersdorf und würden dort nach- dem wir gegessen und getrunken und uns gut unterhalten hätten, zu Musik und Ansage alle miteinander Squaredance tanzen - diesen Amerikanischen Tanz, wo alle in Bewegung sind und sich immer wieder neue Paare und Begegnungen ergeben.
Dass wir nun hier unter Kristallleuchtern sitzen, an getrennten Tischen hat mit der doch großen Zahl der Freunde und mit der Architektur unseres Familienhauses zu tun. Also hier ist es ja auch ganz schön - schön feierlich. Und wollen wir es mal so sehen: zu Essen und Trinken bekommen ihr ja auch hier und wenn man da die Tische wegrückte, würde das auch mit dem Squaredance klappen... Na ja... Also Lasst euch nicht irritieren und tut euch keinen Zwang an, fühlt euch so, wie bei uns in Müngersdorf.



annemarie_burger_g1.jpg 60 Jahre, ... wieder mal so ein Datum wo man sich fragt, -... was war? Was kommt jetzt? Wo Du Dich fragen kannst: Fängt nun der viel berüchtigte ERNST DES LEBENS an oder habe ich diesen hinter mir und kann mich nun dem heitren Leben zuwenden? Ja, Du hast recht, das heitere Leben ruft, es lauert, man kann sich kaum vor ihm retten- aber der Ernst kommt immer wieder.

Also die alten Fragen und immer noch keine Antworten. Aber doch... mit 60 da gibt es schon was zusagen. Der Anlass ist günstig.

Mutter: Du glaubst an Menschen und an die Liebe. Du trägst so stark an Dingen die Dir wichtig sind, aber wichtig nicht nur für Dich. Du hast immer Deine Kraft, Deine Gedanken für andere eingesetzt ohne darauf zu achten, etwas dafür zurückzubekommen. Ich denke, das machst Du, weil Du eine Vision vom Zusammenleben hast, von der Du weißt, dass sie nicht selbstverständlich in Erfüllung geht. Einen Traum, der, wie wahre Traume nun mal sind, nicht auf Kalkulation beruht. Viele Dinge sind durch Dich und Deine Art so erst möglich geworden. Und so begeisterst Du durch Deine Art. Begeisterst in dem Sinne des Wortes, dass Du einen mit Geist erfüllst. Oder hat Begeistern was mit den Geistern zu tun... Dann wohl mit den guten Geistern... Ich bin sicher, dass Ihr bei dem eben Ausgesprochenen meiner Meinung seid und wenn das so ist, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für uns, Dich liebe Annemarie heftig zu beklatschen.

Für das nicht Selbstverständliche aber auch für das scheinbar Selbstverständliche möchten wir Kinder Dir besonders danken...
Und Ich möchte hier von diesen Dingen erzählen, aber wo anfangen? annemarie_burger_g2.jpg
Bei Deiner Spucke mit der Du mit Hilfe eines Taschentuches unsere Münder putztest...
...Bei Deinem Rock unter dem wir uns verstecken konnten, wenn wir verlegen waren...
...Oder soll ich von Deiner Wärme berichten, die wir genossen, wenn wir nachts in dein Bett krochen, wenn wir nicht schlafen konnten.
Gut erinnere ich mich auch an Deine Gelassenheit, wenn ich minutenlang voller Trotz mit meinen Füßen gegen die Schranktür trommelte.
Ja, Deine Geduld - Deine nicht endende! Jeder Schritt meines Bruders Klaus zeugt heute von ihr. Er wurde mit einem Klumpfuß geboren, Durch Deine unermüdlichen Gymnastikübungen geht er heute normal.
Meiner Schwester Miriam gabst Du eine Familie und ein Zuhause. Wie viel Zeit und Liebe hat sie von Dir bekommen. Den ganzen Tag, bis Du sie mit einer vorgelesenen Geschichte ins Bett gebracht hast, noch eine Weile neben ihr gelegen hast, um ihr ein Gefühl der Sicherheit zu geben, bis Miriam, die wohl immer noch Angst hatte, Dich wieder zu verlieren, Dich für die Nacht entließ mit den Worten:

"Ruf mich, wenn was ist und bis morgen früh um sieben."

Viele solcher Erlebnisse haben sich bei uns Kindern zu einem Mosaik zusammengesetzt, das uns das Gefühl der Geborgenheit gab. Hinzu kam bei mir während meiner Kindheit die Überzeugung, dass unser Zuhause etwas ganz besonderes sein müsste. Denn irgendwie war da mehr möglich, als z.B. bei den Nachbarskindern, zumindest dachte ich das. Manches aber kam mir auch komplizierter vor.
So viel Zeit und Aufmerksamkeit wurden von Dir für uns aus Überzeugung aufgebracht, was auch dazu führte, dass wir gewisse Fernsehsendungen wegen der Gewaltdarstellungen wie z.B. Schweinchen Dick, nicht sehen durften, was ich absolut nicht verstand, weil doch alle davon erzählten.
Als es auf Karneval zu ging und ich als Cowboy mit einer Pistole knallend durch die Straßen ziehen wollte, war das nicht selbstverständlich. Denn die Pistole dafür wolltest Du mir nicht einfach so kaufen. Warum war das mit der Pistole ein Problem? Du versuchtest es zu erklären und ich verstand es nicht, soviel aber schon, dass es nicht am Geld liegen konnte. Schließlich habe ich dann doch so ein Ding bekommen, weil es ohne halt nicht ging, aber, so weiß ich jetzt, hat mir die Diskussion darum immer wieder zu denken gegeben.
Deine Erziehung, sie beruhte auf eigentlich ganz simplen Dingen, aber sie konsequent umzusetzen, das war Deine Kunst. Die Art und Weise.
Da gab es eine ganz bestimmte Art, um die es Dir ging. Da gab es bei Dir das Verlangen nach Freiheit, und den Versuch die Welt runder zu machen. Du wolltest aus einer Enge heraus, die Dich selber eingeschnürt hatte und die Du nun für Deine Kinder sprengen wolltest.
Raus aus einer Sprachlosigkeit. Die Dinge sollten auf den Tisch. Die Auseinandersetzung, die Diskussion, das Bilden und dann das Vertreten einer eigenen Meinung auch gegenüber den eigenen Eltern. All das wolltest Du uns Durch deine Erziehung beibringen. Du hast uns angehalten, Dinge zu wagen. Du hast uns Mut gemacht, die Welt mit eigenen Augen zu sehen.

annemarie_burger_09.jpg Ein anderes Mal spielten und hopsten Klaus und ich ziemlich ausgelassen auf den Polstermöbeln, so dass unsere Oma meinte, uns unser Spiel zur Schonung der Poltermöbel verbieten zu müssen. Du bist dazwischen gegangen und meintest zu unserer Oma --- Du hättest nichts gegen unser Spiel, in Deiner Wohnung dürften die Kinder das. Das führte zu einem ziemlichen Krach zwischen Dir und der Oma. Wir Kinder standen dabei und verstanden den ganzen Ärger am Ende gar nicht, aber es war klar, Du warst diejenige auf unserer Seite. Du warst unsere Fürsprecherin. Und so ist es immer wieder gewesen, so ist es heute noch.
Bequem war das damals wie heute für Dich nicht. Es hat Dich oft auch alleine da stehen lassen, auch ein wenig einsam. Ja- auch wir Kinder waren nicht immer für Dich da.

So weit, wie ich mich erinnern kann, warst Du abends allein. Der Mann den Du liebtest, mein Vater, kannte seitdem ich denken kann keinen geregelten Arbeitstag. Auch er hatte eine Vision und war voller Ehrgeiz. Für Euch beide gab es gemeinsame Werte und Ideen, für die Ihr Euch einsetzen wolltet und Du warst bereit, Zeit Deines Mannes, die eigentlich Dir zustand, für diese gemeinsamen Werte und Ideen zu opfern. Es ist immer ein Opfer geblieben. Du liebtest und liebst diesen Mann, seine Art und Weise, seine Überzeugung und Aufrichtigkeit, auch weil Du von seinen Schwächen und Ängsten weißt. Ihr diskutiert, streitet, Du korrigierst ihn und hast Verständnis und gemeinsam seid ihr stark geworden. Norberts beruflicher Erfolg war auch Deiner und es war und ist etwas woran Du Freude haben kannst. Und doch, und das finde ich entscheidend, es kam Dir nicht auf das Abfeiern des Erfolges an, sondern es ging Dir weiter um die Werte und Ideen. Auch Du wurdest zu einer Dame der öffentlichkeit. Doch dies war Dir nicht wichtig. An der Seite Deines Mannes kamst Du mit hohen Persönlichkeiten zusammen, doch Du hast Dich nicht blenden lassen. Du bist, wie man sagt, normal geblieben, bist weiterhin Deinem gesunden Verstand und Deinen Gefühlen gefolgt. Das hat sicherlich nicht nur mir immer sehr imponiert. Deine Prioritäten lagen immer ganz klar: bei Deiner Familie, bei Deinen Freundinnen und Freunden, bei Deiner Arbeit als Schulsekretärin in der Montessori Hauptschule. Wenn Du auf Grund Deiner öffentlichen Stellung jedoch jemandem helfen konntest, hast Du dies ohne großes Aufsehen getan - z.B. Geldspenden, unter anderem für ganze Werkstätten, für nicht mehr möglich gehaltene Klassenfahrten oder auch immer wieder Ausbildungsverträge für verzweifelte Jugendliche sind durch Deine Vermittlung zustande gekommen.
Dann freust Du Dich mit anderen, wie Du Dich über ein "Schwimmerchen" am morgen, über ein gutes Buch, über Deinen Garten, über eine Wanderung oder Radtour mit Freunden, freuen kannst.
Du bist bescheiden, weil Du weißt, was die Dinge wert sind, die Du hast.
annemarie_burger_g3.jpgUnd Du bist ehrlich. Für jeden, der es sehen wollte, haben Dein Lächeln und Deine Blicke gesagt, was Du fühltest. Du hast kein Geheimnis daraus gemacht.
Ich denke, da gab es auch hin und wieder Leute, gewisse Leute eben... die Dich belächelt und nicht wirklich ernst genommen haben, die Deine Art nicht verstanden und glaubten, Dir, wenn Du nicht mit der Meute heulen wolltest, sagen zu müssen, was Du zu tun hättest. -- Diese Kläffer wollten ihre eigenen Kompromisse, die sie auf Grund ihrer Ängste machten, durch Dich bestätigt haben.
Doch: "Was kömmert es den Mond, wenn ihn ein Hund anbellt".
Diesen Satz mit dem Du anderen Mut gemacht hast, hast Du Dir auch selber öfters gesagt. Nicht weil Du so unerreichbar wie der Mond sein wolltest, aber doch eben gerne in Deiner Art so souverän. Und so hast Du Dich am Ende von anderen nicht irritieren lassen und warst Dir und Deinem Glauben treu.
Woher kommt dieser Glauben, wie kannst Du nur all diese Kraft aufbringen, um das zu tun, was Du tust und wie Du es tust? Die Antworten auf diese Fragen sind gleichzeitig Deine Botschaften an Deine Mitmenschen.
Die Botschaft hat eine Menge Kraft und Mut von Dir gefordert, doch schließlich ist sie angekommen. Deine Kinder und auch dein Ehemann haben sie erhalten. Wir wissen nun, was zu tun ist, wir haben es von Dir gelernt. Wir lieben Dich.
Lass Dir weiterhin diesen Mut nicht nehmen, die Dinge so zu tun, wie Du sie bisher gemacht hast, auch nicht von dieser schrecklichen Krankheit, die Dich dieses Jahr befallen hatte und die die Ärzte nun gebannt haben.
Ich feiere heute auch diesen Mut, damit er weiterhin gegen die bösen Geister ankommt.

Gegen Feiern sind die bösen Geister machtlos. In diesem Sinne wünsche ich uns allen noch einen schönen Abend. Und zu Dir Annemarie sage ich noch schnell;

Ruf uns, wenn was ist... und bis morgen früh um sieben...


Jean Christopher Burger
Im Saal "Kölner Messeclub" am 29.10.1995 anlässlich des 60.Geburtstages von Annemarie Burger