Manfred Kock: Dankworte zum Abschied von Annemarie Burger

Liebe Trauergemeinde!
Gemeinsam mit der ganzen Familie und vielen Freundinnen und Freunden nehmen wir Abschied von Annemarie Burger. Eben im Gottesdienst haben wir uns in der Gegenwart Christi der Hoffnung vergewissert, die uns tragen will, wenn das zeitliche Leben endet. Wir haben Gott gedankt für alles, was er uns mit Annemarie geschenkt hat. Wir haben für sie gebetet und für alle, die um sie trauern.
Hier auf dem Friedhof nun, bevor wir sie zum Grab begleiten, soll ihrer noch einmal dankbar gedacht werden. Sie fehlt uns jetzt. Die erlebte Geschichte mit ihr ist zu Ende. Aber sie bleibt uns unvergessen. Gott nimmt nicht mehr als er gibt. Denn was Sie je einzeln ihr verdanken, ist nicht vergänglich. Ich kann das nicht im Einzelnen benennen.

Sie wissen es ja auch viel besser als ich und als ich es ausdrücken könnte. Annemarie Burger hat Sie geliebt, die Geschwister und die Kinder. Sie vor allem sind von ihr geprägt worden. Sie hat für Sie gesorgt und hat davon gar nicht lassen können. Und nun haben Sie ihr ein wenig davon zurückgeben können, in den letzten Monaten der Pflege vor allem.
Nach dem Tode von Annemaries Eltern war sie es, die unter ihnen, den Geschwistern und Verwandten, für den Zusammenhalt gesorgt hat. Und Sie haben es ihr danken können. Sie haben Sie begleitet, nicht nur in frohen Tagen und Festen, sondern auch in Zeiten des Kummers und des Leidens. Und Sie können den Dank auch weiterhin ausdrücken, wenn Sie in Ihrem Sinne weiter zusammenhalten.

Annemarie Burger war eine fürsorgende Frau. Steuergehilfin hatte sie zunächst gelernt, aber Zahlen und Paragraphen sollten ihre Sache nicht sein. Als Krankenschwester und Sozialarbeiterin hat sie sich für Menschen eingesetzt, bei den Quäkern in Ehrenfeld und dann vor allem bei den Leuten von Emmaus. Davon war im Gottesdienst vorhin schon die Rede, wie sie der Idee von Abbé Pierre folgend sich eingesetzt hat für Obdachlose und am Rande Lebende. Bruder Lukas und etliche von Emmaus sind heute beim Abschied dabei.
Als Frau des Oberbürgermeisters stand sie im Blickpunkt vieler Menschen in der Stadt. Sie konnte am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und war vielen interessanten Menschen begegnet. Sie hat viel dabei gelernt und hat das auch auf ihre Weise genossen. Aber sie ist nie abgehoben oder hochmütig geworden. Sie hat in ihr Interesse und in ihre Liebe zu den Menschen immer die einbezogen, die benachteiligt sind und im Schatten unserer glitzernden Welt leben müssen. Sie wollte bessere Bedingungen für Benachteiligte, für Obdachlose und Jugendliche. Sie ist eingestanden für das, was wir die parteiliche Gerechtigkeit Gottes nennen. Das wollte sie nicht in politischen Programmen durchsetzen, sondern vor allem durch Nähe und praktisches Tun. Dafür hat sie die Kontakte aus ihrer Stellung genutzt und hat Menschen in Not Beziehungen vermittelt. Dafür werden viele ihr dankbar bleiben.
Ich sehe hier Menschen aus der Montessorischule. Die Atmosphäre der Schule hat sie als Schulsekretärin mitgeprägt; sie hat einer Lern- und Arbeitsgemeinschaft ihre Gabe der Freundschaft geschenkt.

Da steht ihr Sarg mit ihrem Leib, der vergeht. Ihre Krankheit hat so lange gedauert. Viel Bangen und Hoffnung am Anfang und viele Enttäuschungen bei Rückschlägen, das alles hat ihr einen besonderen geistigen Tiefgang gegeben, hat ihr aber auch sehr zugesetzt.
Die ihr besonders nahe standen, haben unter der Ohnmacht gelitten. Die arztliche Pflege war so wichtig; vor allem aber, dass sie Menschen der Familie und der Freundschaft um sich hatte, das war in allem Leide tröstlich. Sie haben vor allem die Kinder und die Schwiegertochter
große Hilfe geleistet. Auch dass Du, Norbert, sie in der Zeit ihres Abschiednehmens besucht hast, war ihr angesichts Eurer langen gemeinsamen Geschichte eine große Hilfe.
Denn in den letzten Monaten ging es, wie auch schon vorher nicht um das körperliche Leiden allein, Es ging um den Schmerz des Abschieds von lieben Menschen und es ging um die Bilanz ihres Lebens. Was bleibt? Was habe ich unterlassen? Was habe ich falsch gemacht? Was ist mein Anteil an dem öffentlich gewordenen Riss in der Familie? Die geschenkte und begrenzte Zeit hat sie viel Schönes erleben lassen. Aber sie hat auch Wunden und Narben hinterlassen. Sie war immer eine Fragende und Suchende. Sie hat viel gelesen und ist gereist, hat als Erwachsene das Lernen nicht aufgegeben. Sie war froh, dass Glaube nicht eine fertige Haltung sein muss und vor allem nicht in moralischer Enge endet. Es hat sie entlastet, dass Fragen und Zweifel dazu gehören.

So danken wir für sie, die unter uns gelebt hat, jeder und jede für den erlebten Anteil gemeinsamen Lebens.



Manfred Kock, Präses i. R.
Friedhof Müngersdorf am 1. 3. 2007